Kind und Haustier - ganz bestimmt oder auf keinen Fall?
Es handelt sich hier um ein sehr umstrittenes Thema. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass es mehrere Lager dazu gibt.
Lager 1 - die totalen Befürworter:
Diese Menschen sind der Meinung, jedes Kind braucht mindestens ein Haustier, sollte jederzeit mit einem Tier kuscheln können und so viel Zeit wie möglich mit Tieren verbringen. Warum, dazu kommen wir später.
Lager 2 - die totalen Gegner:
Hier finden wir die Menschen, die Tiere für schmutzig (und daher krankheitserregend) und gefährlich halten. Ein Kind sollte auf keinen Fall zu nahe an Tiere gelassen werden und ein Haushalt in dem Tiere wohnen ist immer schmutzig und daher kein geeigneter Ort für Kinder. Ebenfalls ein Körnchen Wahrheit darin, auch darauf werden wir später noch näher eingehen.
Lager 3 - die Zweifler:
Die letzte Gruppe beinhaltet diejenigen, die ihren Kindern zwar grundsätzlich den Wunsch nach einem Tier gern erfüllen möchten, aber entweder selbst keine großen Tierfreunde sind oder so ihre Zweifel haben, was das Versprechen “ich kümmer mich gaaanz allein um mein Tier” betrifft. Auch diese Zweifel werden uns weiter unten im Text noch begegnen.
Um das gleich vorweg zu nehmen - ich gehöre am ehesten der Gruppe 1 an, obwohl ich die Argumente der Gruppe 2 und 3 durchaus für berechtigt halte. Deswegen möchte ich in diesem Beitrag sowohl die Argumente für ein Haustier beleuchten, als auch die Herausforderungen und Bedenken aufzählen. Wenn man sich vorher bewusst ist, welche Schwierigkeiten auftreten können beim Projekt “gemeinsames Haustier” und auch schon Lösungsvorschläge parat hat, dann kann nicht mehr so viel schief gehen.
Tiere sind Freunde, gerecht und ohne Vorurteile
Meiner Meinung nach eines der wichtigsten Pro-Haustier-Argumente. Kind sein ist nicht immer einfach. Auch wenn die Eltern sich noch so bemühen, Probleme in Kindergarten und Schule, mit Freunden, Lehrern oder einfach mit sich selbst, sind Teil einer normalen Entwicklung. Haustiere können in schwierigen Zeiten eine sehr bedeutende Rolle spielen, sie sind immer da und hören zu. Sie lieben bedingungslos und kümmern sich nicht darum wie man aussieht und ob man gut oder beliebt in der Schule ist. Einem Kind einen solchen Freund zur Seite zu stellen, ist bestimmt eine der besten Hilfestellungen, die man ihm im Prozess seiner Entwicklung mitgeben kann.
Verantwortung übernehmen lernen - aber nicht allein
Ebenfalls einer der Hauptgründe für ein Haustier, an dem es aber wiederum vermutlich am Öftesten scheitert. Ja, natürlich sollen Kinder durch ein Haustier lernen, dass dieses Bedürfnisse hat, die man mitunter über seine eigenen stellen muss. Also dass zB das Tier gefüttert wird, bevor man selbst frühstückt oder die Katzentoilette ausgeräumt werden muss, auch wenn man gerade keine Lust dazu hat. ABER und das ist der Punkt wo ganz oft schief läuft - ein Kind kann nicht die alleinige Verantwortung für ein Tier übernehmen. Das kann und soll man nicht erwarten, denn dann geht die Erfahrung für beide Seiten schief (und damit meine ich nicht das Tier, denn ich hoffe sehr, dass dieses trotzdem versorgt wird). Die Eltern sind frustriert weil die Arbeit nun doch an ihnen hängen bleibt (siehe Lager 3 - die Zweifler) und das Kind hat im Grunde nur gelernt, dass man sich einer Verantwortung entziehen kann, wenn man sie nur oft genug ignoriert. Irgendwann übernehmen die Eltern die Arbeit und man muss nichts mehr tun, was nicht Spaß macht. Also mit dem Tier kuscheln, spielen, etc. - wenn man gerade Zeit und Lust hat, ja - aber ausmisten, füttern, versorgen macht wer anderer. Wie wäre es damit, gleich von Anfang an gemeinsame Verantwortungen festzulegen und diesen auch zusammen nachzukommen? Das nimmt die Erwartung vom Kind, alles allein machen zu müssen und bringt gleichzeitig den Erwachsenen als Unterstützung und Kontrolle mit ins Boot. Auch fixierte Tageszeiten - zB nach dem Frühstück, beim Heimkommen von der Schule oder vor dem Abendessen - helfen eine Routine zu entwickeln.
Mitgefühl, Empathie und Rücksicht
All das sind Eigenschaften, die Kinder von ihren Vorbildern und mit ihren Freunden lernen. Aber auch von und mit Tieren. Sich selbst nicht immer an erste Stelle zu setzen, sich einfühlen was der andere gerade braucht, Kompromisse schließen, verzeihen, sich mit anderen zu freuen und mit ihnen zu leiden,... und noch viel mehr macht echte Freundschaft aus. Viele dieser Lektionen fürs Leben lernen Kinder oft schneller und verständlicher von Tieren als von Menschen. Tiere sind authentischer und vorurteilsfrei - von ihnen können Rückmeldungen oft ehrlicher angenommen werden.
Es braucht Regeln, Anleitung und Aufsicht
So sehr Kinder vom Zusammensein mit Tieren profitieren, die Aufsicht eines Erwachsenen, der das Tier und seine Eigenheiten kennt, ist enorm wichtig. Es braucht Regeln für das sichere Zusammensein mit Tieren und Kinder lernen bei richtiger Anleitung schnell, was das Tier mag und was es nicht mag. Nie sollten Kinder mit Haustieren allein gelassen werden. Ein Tier ist und bleibt ein Tier, es kann auch bei bester Erziehung in einer Schrecksituation nach Instinkt handeln. Und auch Kindern kann man nicht voll vertrauen, dass sie sich an alle Regeln im Umgang mit dem Tier halten, besonders wenn sie noch nicht über sehr viel Erfahrung verfügen. Die Verantwortung für ein harmonisches Zusammenleben liegt immer bei den Erwachsenen.
Der Kampf mit den Haaren
Zu Kindern und Sauberkeit gibt es natürlich sehr individuelle Ansichten und ich möchte mich da nicht aufs Glatteis begeben. Es gibt hier Verfechter von lückenloser Hygiene, genauso wie Befürworter der Theorie dass sich das Immunsystem besser entwickelt, wenn es öfter gefordert wird. Die meisten Tiere verlieren Haare und/oder machen Dreck, das lässt sich nicht bestreiten. Aber gutes Management ist die halbe Miete. Haustiere müssen nicht unbedingt in jedes Zimmer im Haus, wenn man sich über Hygiene Sorgen macht. Bereiche wie vor der Katzentoilette oder dem Kleintierkäfig können mit einer Matte ausgelegt werden um das Herumziehen von Einstreu zu verhindern. Regelmäßiges Bürsten verringert die herumfliegenden Haare und manche Kleintiere können in einem gut isolierten Stall auch das ganze Jahr über im Garten leben. Es gibt unzählige Tipps und Ideen auf Internetseiten und Foren zu den jeweiligen Tierrassen. Die eigene Toleranz beim Thema Sauberkeit sollte aber auf jeden Fall bei der Auswahl der Haustiers miteinbezogen werden.
Das Haustier muss zur Familie passen
Damit bleiben wir beim Thema Auswahl. Ich persönlich finde, man sollte sich nur ein Haustier aussuchen, das auch die Eltern haben möchten. Das wird vielleicht nicht immer möglich sein, aber zumindest sollte jeder in der Familie sich das Zusammenleben mit diesem Tier vorstellen können und der Platz, die Zeit und finanziellen Mittel müssen zu den Bedürfnissen des Tieres passen. Das führt uns nämlich wieder zurück zum Thema, dass Kinder die Versorgung nicht allein übernehmen können und sollen. Deshalb muss man sich als Erwachsener mit dem Tier anfreunden können, sich dazu informieren und einen Teil der Betreuung bzw. die Aufsicht über den Rest auch gerne übernehmen. Sind die Eltern überhaupt keine Tierfreunde, sollte die Familie auf ein Haustier verzichten - zum Wohle des Tieres. Es findet sich bestimmt eine Möglichkeit, den Tierkontakt für das tierbegeisterte Kind zu organisieren. zB Nachbarn oder Freunde, die Haustiere haben und bereit sind, Kindern den Kontakt zu ermöglichen und sich gemeinsam mit ihnen mit dem Haustier und dessen Versorgung zu beschäftigen. Auch die Angebote sind mittlerweile vielfältig, über die Schule, Kinderbetreuung oder ein Ferienlager - es lässt sich immer einen Platz finden, wo Kinder in einem sicheren Rahmen Tiere kennenlernen können, ohne dass die Eltern eine jahrelange Verantwortung für ein Tier übernehmen müssen, das sie nicht haben wollen. Das wäre niemandem gegenüber fair, schon gar nicht fürs Tier.
Der Abschied gehört dazu
Auch das ist ein Thema, das viele Familien davon abhält sich ein Haustier anzuschaffen. Die Eltern wollen ihren Kindern (und sich selbst) den traurigen Abschied beim Tod des Haustieres ersparen. Abschied und Tod gehören aber zum Leben und auch Kinder müssen lernen sich damit zu arrangieren. Sich mit dem Prinzip von Leben und Tod beim Abschied von einem geliebten Haustier auseinanderzusetzen, bereitet Kinder darauf vor, irgendwann auch Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen und die Erfahrungen, die sie mit der Trauer um ihr Haustier gemacht haben, auch auf andere Bereiche im Leben anzuwenden. Wenn man sich als Elternteil nicht in der Lage fühlt, das Kind bei diesem Prozess ausreichend zu begleiten, gibt es mittlerweile die Möglichkeit sich Untestützung von außen zu holen. Es gibt Freie Redner, die Trauerzeremonien speziell für Tiere anbieten und besonders auf Kinder eingehen. Eine solche Zeremonie hilft Kindern den Tod zu akzeptieren, Abschied zu nehmen, Erinnerungen wach zu halten und sich über die schöne Zeit zu freuen, die man gemeinsam mit dem Tier hatte. Auch Tierkrematorien beschäftigen sich täglich mit diesem Thema und können Tipps und Ideen zur Trauerbewältigung geben.
Ein Haustier ist eine Bereicherung für das Leben und die Entwicklung eines Kindes. Doch bei der Entscheidung für oder gegen die Anschaffung eines Tieres müssen die Bedürfnisse von Kind, Tier und auch Eltern miteinbezogen werden, damit die zwei- und vierbeinige Familie ein Tierleben lang zusammen glücklich ist.